6
Deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919.
stand vom Thron gestürzt und floh zu den Römern, die ihm in Italien eine sumtntus Freistatt gewährten. Dann fand Arminius den Tod. Erst 37 Jahre alt, wurde er verräterisch von seinen eigenen Geschlechtsgenossen ermordet; man warf ihm vor, er habe nach der Königskrone gestrebt. Aber im Liede lebte sein Name fort. Er hat deutsches Wesen vor der Vernichtung durch die römische Kultur gerettet; seiner befreienden Tat ist es zu verdanken, wenn in den späteren Jahrtausenden das deutsche Volkstum frei und eigenartig sich entfalten konnte. Nachdem das neue deutsche Reich gegründet worden ist, hat man ihm auf der Grotenburg bei Detmold ein hochragendes Denkmal gesetzt.
Seitdem blieben Rhein und Donau im wesentlichen die Grenze des Römerreichs. Nur das südwestliche Deutschland besetzten die Römer und Greäehr schützten es durch eine Grenzwehr, die etwa von der Mündung der Lahn renz e i. ^ ^ Rhein bis in die Gegend von Regensburg lief und aus Wall und. Graben, Warttürmen und Kastellen bestand. Eins dieser Kastelle ist die Saalburg bei Homburg, die heute wieder ausgebaut worden ist.
Die Germanen.
Germanische § 6. Wirtschaft und Staat der Germanen. Deutschland war damals Wirtschaft. ^ großes, teilweise sumpfiges Waldgebiet. Es war reich an Wild und konnte große Viehherden ernähren; aber nur selten traf man auf bestellte Äcker. Denn die Germanen trieben wenig Ackerbau. Noch war die Ackerflur, ebenso wie Wald und Weide, Eigentum der Gemeinde und wurde immer nur für ein Jahr an die einzelnen verteilt; man kannte noch kein Privateigentum am Grund und Boden. Viehzucht war immer noch die wichtigste Nahrungsquelle der Germanen und Herden ihr liebster Besitz. Was man an Geräten, Waffen und Kleibnng brauchte, fertigte man meist selbst an. Ein Handwerk gab es noch nicht, etwa mit Ausnahme des von der Sage gefeierten Handwerks der Schmiede. Nur selten kaufte man Gegenstände von Händlern, so z. B. Salz. Metalle und Waffen. Erst als römische Kaufleute ins Land kamen, lernte man das Geld kennen; bis dahin tauschte man einen Gegenstand gegen den andern aus, d. H. der Handel hatte die Form des Tauschhandels. Man wohnte in Blockhäusern, die der einzelne sich selbst errichtete. Die Dörfer pflegten sich weit auszudehnen, da sich ein jeder da anbaute, wo es ihm gefiel. Städte kannten die Germanen nicht; ihr Freiheitsgefühl empörte sich gegen das enge Zusammenleben hinter Stadtmauern.
Völler- Die Germanen bildeten keinen einheitlichen Staat, sondern zerfielen schäften.in ^ Völkerschaften, die bald friedlich, bald feindlich nebeneinander standen. Unter ihnen sind die Friesen an der Nordsee, die Chatten im
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Grotenburg Detmold Rhein Donau Deutschland ^_Rhein Regensburg Wall Saalburg Homburg Deutschland Nordsee
— 236' —
Das Eintreffen des Königs auf dem Schlachtfelde: Gegen 8 Uhr ertönte von rückwärts her, von der Höhe von Dub, lautes Hurrarufen. Der König war auf dem Schlachtfelde angekommen. Es ist Hohenzollernart, in den Stunden der Gefahr dort zu sein, wo für Ehre und Glück des teuren Vaterlandes gekämpft wird. — In dem Augenblicke flog eine Granate heran. Sie schlug, ohne zu Platzen, in eine nickt weit entfernt haltende Schwadron Ulanen. Bald folgten mehrere. Vielleicht gaben die etwa 300 Pferde der Stabswache, die den König begleitete, ein bequemes Ziel. Darum wurde sogleich befohlen, daß das Hauptquartier sich im Gelände verteilen sollte. Der König, die Generale und Bismarck ritten nach Nordosten hinunter in die Ebene. Unweit des Kriegsherrn, welchen Moltke, Roon und Alvensleben umgaben, hielt Bismarck auf einem riesengroßen Fuchs. Wie er im grauen Mantel hoch-ausgerichtet dasaß und die großen Augen unter dem Stahlhelm glänzten, gab er ein wunderbares Bild: ein Riese aus nordischer Urzeit.
Nachdem sich der König über die Gefechtslage unterrichtet hatte, befahl er, daß die erste Armee die Bistritz überschreiten sollte. General v. Bose überschritt auf schnell hergestellten Stegen von Aesten und Brettern den breiten Bach und drang in das anliegende Gebölz ein, aus dem sich der Feind ohne Widerstand zurückzog. Jenseit des Flusses schwenkten dann sämtliche Bataillone etwa um 9>2 Uhr gegen den Hola-Wald, welcher ein vortrefflickes Schußfeld und eine ebensolche Deckung zu bieten schien.
Im Hola-Walde: Der Hola-Wald bildet ein ziemlich regelmäßiges Viereck von etwa 1100 Schritt Ausdehnung südlich der Chaussee von Sadowa nach Lipa. Er enthält längs der Chaussee hochstämmige Laub- und Nadelhölzer, besteht aber im übrigen aus überaus dichtem Unterholz.
Beim Vordringen fanden unsere 31er it. 71er nur schwache Abteilungen des Gegners vor. welche sich ohne Kampf zurückzogen. Mühsam bahnten sich die Musketiere den Weg durch das dichte Gebüsch. Plötzlich — man hatte noch nicht den südlichen Waldsaum erreicht — wurde das Gehölz lichter, und geradeaus erblickte man aus einem kaum 1000 Schritt vorliegenden Höhenzuge bei dem Dorfe Lipa eine lange Artillerielinie. Der Gegner hatte das Unterholz aus einige 30 Schritte vom Waldrande entfernt, um Einsicht zu erlangen. Fast im gleichen Augenblick begrüßte die Preußen ein Hagel von Granaten. Trotz der trüben Witterung zielten die Oesterreicher gut und ihre Granaten schlugen richtig ein. Sie hatten an mehreren Stellen des nach Lipa zugekehrten Saumes Bäume ihrer Rinde beraubt, sodaß die hellen Stämme gute Zielpunkte boten. Das Feuer steigerte sich bald zu einer betäubenden Heftigkeit; Blitz auf Blitz zuckte in weitem Umkreise schnell hintereinander auf, unaufhörlich rollte der Donner und sausend kam Geschoß auf Geschoß mit fürchterlicher Sicherheit daher. Granate
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Spitzen wiederum aus Feuerstein gebildet sind. Hat der Jäger einen solchen Pfeil verschossen, so daß er nicht im Körper des Wildes steckt, dann sucht er sorgsam das Schußfeld ab, denn der Pfeil ist wertvoll für ihn wegen der geraumen Zeit, die seine Herstellung erfordert.
Ihre Jagdbeute: Gewiß sind die Waffen gar einfach und
kunstlos im Vergleich zu denen einer späteren Zeit, in welcher der Mensch schon die Verarbeitung der Metalle kennen gelernt hatte, aber sie erfüllten bei der großen Gewandtheit der Menschen jener Tage, bet der Schärfe ihrer Augen, der Kraft ihrer Arme und Beine und bei der genauen Kenntnis aller Schliche und Gewohnheiten der Tiere doch ihren Zweck. Auch heute haben sie es ge-tan; denn mit reicher Beute kehren die Jäger vom frohen Weid-gang heim. Auf zwei frisch gefällten, jungen Tannen tragen sie einen feisten Hirsch und an einer der Stangen baumelt ein gelbbrauner Fuchs, der schon den wärmeren Winterpelz angelegt hat. Reinekes Balg wird nun in Streifen geschnitten werden, um das Gewand des glücklichen Jägers zu schmücken. Jubelnd umspringen die Kleinen die Heimkehrenden, den Großvater, Vater, Bruder und die sonst Versippten.
Auf dem Wege zum Heim: Mit den Jägern kehren die
Kinder zum eigentlichen Heim der Sippe zurück. Aus dem Wege, den sie einschlagen, läßt das Oberhaupt der Gesamtfamilie das
scharfe Auge, überall umherspähend, nach dem Rechten schauen. Aus einmal zeigt einer der Knaben hinunter zum Fluß. Und wie die anderen der weisenden Hand mit dem Auge folgen, sehen auch sie, wie einer aus ihrer Sippe in schwerfälligem Rachen — ein dinbaum ist's, mühsam mit Feuerbrand und Steinkeil ausgehöhlt — im Fluß umherfährt, um in den Buchten Reusen aus geflochtenen Weiden zum ergiebigen Fischfang auszulegen. Und dort erblicken sie, auf einem über das Wasser hängenden, zur Hälste verdorrten Baumstamm liegend, einen halbwüchsigen Jüngling, der die Flachsschnur mit dem Angelhaken aus Knochen in das Wasser senkt.
Die Jäger aber schreiten auf dem Rücken des Abhanges weiter. Hier sind fast alle Bäume fortgeschafft — welche Arbeits-
leistung für diese Menschen mit ihren geringen Werkzeugen! — und ein großer Platz ringsum mit Pfahlwerk eingeschlossen, zur Ausnahme des Viehes bestimmt. Zur Stunde aber ist der eingefriedete Raum leer. Die Rinder und Schafe weiden unten auf
den schönen Weideplätzen ant Talufer, die Schweine tummeln sich im Waldfmttpfe, und die Ziegen klettern unter der Aussicht zweier Knaben an den kräuterreichen Abhängen umher.
Im Heim: Ganz in der Nähe liegt auch die Heimstätte der
Sippe. Eine stattliche Zahl einfacher Hütten erhebt sich an Ort und Stelle (Steinzeit-Ausiedlung hinter dem Petersberge). Sie sind aus Holz erbaut und mit Stroh oder Schilf bedeckt. Die Fächer
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128
C. Länderkunde.
§ 200. Föhn, Lawinen. Der Föhn ist ein warmer Südwind, der
vom Mittelmeer über die Alpen weht. Durch seine Trockenheit und seine
oft orkanartige Stärke bringt er den Alpenbewohnern Gefahren: man löscht
das Herdfeuer, um Brände zu verhüten. Der Schnee wird außerdem durch
die Lawinen in die Tiefe geschafft. Der dabei erzeugte Windstoß reißt
ans weite Strecken Gebäude und Wälder nieder; was von der Lawine über-
deckt wird, ist vernichtet. Durch bauliche Anlagen s„Verbannng") und Be-
Waldung sucht mau in bewohnbaren Tälern der Lawinengefahr vorzubeugen.
78. Zurückgegangener Gletscher im Pitztal (Tirol).
Der von den Firnfeldern der Höhe herabfließende Gletscher ist, wie auch die übrigen Gletscher der Alpen,
in den letzten Jahren sehr zurückgegangen. Die beim Abtauen liegengebliebenen Steine, das sogenannte
Moränengeröll, kennzeichnen aus dem Talboden und an den Hängen die frühere Ausdehnung des lang-
sam fließenden Eisstromes.
$ 201. Die Alm. Von der Schneegrenze bis etwa 1800 m abwärts
reichen die „Alpen" (b. h. Wiesen oder Matten), die in Tirol Almen (Alm)
genannt werden. Sie sind mit einem dichten, blumenreichen Grasteppich
bedeckt, der den Kuhherden der Sennen Nahrung bietet. Die Sennen be-
wohnen die Alm vom Spätfrühling bis zum September; ihre Hütten be-
stehen aus roh gezimmerten Balken, die flachen Dächer aus Holzfchiudeln,
die mit Steinen belegt sind. (Warum?) Die Milchwirtschaft ans der
Alm liefert den berühmten Schweizerkäse. In den steilen Wänden und
Schroffen, die die Matten überragen, ist die Gemse zu Hanse, während
der einst in den tieferen Gegenden weitverbreitete Steinbock infolge der
unausgesetzten Jagd aus den Deutschen Alpen verschwunden ist.
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252
C. Länderkunde,
129. Das Nilstaubecken bei Assuan in Oberägypten.
(Nach einer Zeichnung von i!, F. Dickinson aus der „Illustrierten Zeitung" in Leipzig,)
Die gewaltige, 1800 m lange Sperrmauer durchzieht den Nil im Gebiete seiner letzten Stromschnellen, die
von den Nilbooten in einer Reihe von Treppenschleusen umgangen werden. Im Staubecken liegt die be-
rühmte Insel Philä mit wertvollen Ruinen altägyptischer Tempelbauten. Schon jetzt bespülen die Nilfluten
zur Zeit des Hochwassers die Grundmauern der Ruinen, bei der geplanten Erhöhung des Dammes um
7 m aber werden sie die Insel ganz überschwemmen.
130. Die Pyramiden von Gizeh.
Von Kairo führt eine schnurgerade, mit prachtvollen Bäumen bestandene Strafe durch Pflanzungen hinaus
in die Wüste zu den drei großen Pyramiden (die des Cheops 140 m). Rechts dürftige Fellachenhäuser
aus Nilschlamm gebaut, mit Schilf oder Zweigen gedeckt.
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Vertag der Wuchtjandkung des Waisenhauses in Kasse a. d. S.
Kleine Stcratslehre
für
höhere Lehranstalten
von
Dr. Ariedrich Weuöauer,
Direktor des Lessing-Gymnasium- in Frankfurt a. M. gr. 8°. geh. Ji 0,50.
Volkswirtschaftliches im Geschichtsunterricht
von
Dr. Ariedrich Weubauer,
Direktor des Lessing-Gymnasiums in Frankfurt a. M. gr. 8°. geh. Ji 1,20.
Der Unterricht in der Geschichte.
Von
Dr. Ariedrich Weuöauer,
Direktor de? Lessing-Gymnasiums in Frankfurt a. M. gr. 8°. geh. Ji 0,50.
Was ist Deutsch?
Eine Kaisergeburtstagsrede
von
Dr. Ariedrich Meuöauer,
Direktor des Lessing-Gymnasiums tn Frankfurt a. M.
Zweite Auflage. 8. geh. Ji 0,50.
Wcrs ist preußisch?
Eine Kaisergeburtstagsrede von
Wrof. Mruno Keöestreit,
Direktor des Gymnasiums in Mühlhausen.
__________ 8. geh. Ji 0,50.
Im Anschluß an das Lehrbuch der Geschichte von Fr. Neubauer erschien:
Bilderanhang
unter Berücksichtigung der Auttirrr- und Kunltgefchictzte
für die Wetehrung itx Schule und Kcrus herausgegeben von
Dr. Hzernhard Seyferl.
370 Abbildungen mit erläuterndem Text.
Lex. 8°. geh. Ji 3,—.
Buchdruckerei des Waisenhauses in Halle a. d. S.
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400
73. Ein Königsidyll vom Tegernsee.
rief baun der König, „da esse ich auch gleich mit — jetzt hab' ich doch so viele Köche daheim und doch kann mir kein einziger noch richtige Knödel machen."
Diese Vertraulichkeit des Königs suchten die Bauern natürlich mit allen erdenklichen Aufmerksamkeiten zu erwidern. Wenn ihm irgend ein alter schöner Baum gefiel, so machte der Besitzer ihn sofort Sr. Majestät zum Geschenk und eine Reihe der herrlichsten Linden ist in Tegernsee nur dadurch von der Axt verschont geblieben. Wo er neue Wege anzulegen wünschte, gab man ihm C-cnnd und Boden ohne Entschädigung; vor allem aber lag ihm ein Waldpfad zum „Bauer in der Au" am Herzen. Als derselbe vollendet war und der König ihn znm erstenmal allein beging, fand er plötzlich mitten im Walde einen blanken eichenen Tisch und auf demselben waren Butter und Milch, Erdbeeren und Kirschen sorgsam zugerichtet; davor ein stattlicher Großvaterstuhl und weit uni) breit niemand zu sehen. Er ließ sich nieder und schmauste, die Bauern aber waren ringsum in den Gebüschen versteckt und weideten sich daran, wie ihre Kost dem Fürsten mundete. Erst als er wieder aufbrechen wollte, kamen sie hervor und einer von ihnen, der Seppl von Abwinkel, hieß ihn mit einer kurzen Ansprache willkommen.
All das sind nur kleine einzelne Züge und dennoch sind sie wahr —
denn aus denselben atmet die Seele jener Zeit.
Dazwischen gab es freilich auch mitunter ein hochgesteigertes öffentliches Leben, die Kaiser von Rußland und Österreich, die Fürsten aller erdenklichen Länder kamen nach Tegernsee zum Besuch und großartige Beleuchtungen des Sees oder der Berge wurden zu ihren Ehren veranstaltet. Wenn wichtigere Beratungen nötig waren, kamen die einzelnen Minister heraus und eine Reihe der bedeutsamsten Gesetze und Verordnungen (wir erinnern nur an die berühmte „Tegernseer Erklärung" zum Konkordat) trägt das Datum dieses Ortes. Selbst die Kammern des Landes wurden einmal vom König nach Kaltenbrunn und Kreuth geladen und dort bewirtet.
Im ganzen aber überwog doch unendlich die — Idylle; sein Verhältnis zu den Bewohnern war noch immer am richtigsten bezeichnet durch jenes
rührende, naive Wort, das ihm beim Einzug einst ein Münchener Bürger in den offenen Wagen rief: „Na, Maxl — weilst nur Du da bist!" Seine Nähe
allein, seine Persönlichkeit hatte etwas Beglückendes für das Volk. Am letzten
Tage seines Lebens, am 12. Oktober 1825 (es war sein Namenstag), hatte er ein Bild des Schlosses zum Geschenk erhalten; er betrachtete es lange und zuletzt hielt er die Hände vor das tränende Gesicht und sprach halblaut: „Mein liebes Tegernsee!" — Noch in derselben Nacht war Max I. eine Leiche.
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516
107. Mit einem Königsherzen.
genden Natur dieser Zug mit dem toten Herzen des geliebten Königs! — Ein Gegensatz, der auf der laugen, zweitägigen Fahrt sich auf allen Wegen wieder aufs neue geltend machte.
Aber auch von den vielen Tausenden, denen der Trauerzug begegnete, störte nicht ein einziger diese feierliche Stimmung. Mit entblößten Häuptern in lautloser Ehrfurcht, meist auch mit gefalteten Händen und im sonntäglichen Kleid standen sie längs den Häusern ihres Dorfes oder sie hatten sich an den Seitenwegen auf freiem Feld und unter Baumgruppen versammelt, während der Kirchturm ihres oft in weiter Ferne abseits liegenden Dorfes sein Trauergeläute zur Landstraße herübersandte. — Und hatte auch gar manche dieser erste günstige Tag auf Feld und Wiese zur lang verschobenen Arbeit verlockt, so hielten sie doch damit ein, sobald sie nur aus der Ferne den Zug gewahrten, und entblößten das Haupt und manch eine Gruppe von Landleuten sahen wir mitten in ihrem Felde niederknien und dem Herzen ihres Königs ihr gläubiges Gebet mit auf den letzten Weg geben: Wenn dann der hochwürdige Stiftsdechant all den großen und kleinen, andächtig harrenden Reihen in den Dörfern, am Feldrain und am Waldsaume die silberne Urne mit dem Trauerflor darhielt, da sah man es den Leuten an den Augen an: das war keine gemachte oder erheuchelte Rührung, sondern der schlichte Ausdruck altbewährter bayerischer Treue und Ehrfurcht für ihr Königshaus, daraus dieses Herz als eines der edelsten für das Wohl und den Frieden des Landes so aufrichtig gesorgt, so wohlmeinend geschlagen hatte.
Auf der Höhe von Neufahrn blickten wir nochmals nach München zurück, das ein sonniger Hauch überwob, und fuhren dann bergab, während der An-zinger Forst in dunkler Fläche hinter dem gleichnamigen Dorfe sich ausdehnte.
Schon auf der Landstraße wurde der Zug in feierlicher Prozession von der Geistlichkeit, den Beamten und dem zusammengeströmten Volke eingeholt und so zogen wir durch das Dorf Anzing und geleiteten unter dumpfen Posaunenstößen das königliche Herz in die Kirche an demselben Försterhause vorüber, in dem es so manches Jahr nach glücklich vollbrachtem Weidwerke bei fröhlichem Mahle sich ergötzt hatte. — Man war in München im Zweifel gewesen, ob sich wohl znr Ehrenwache in Anzing genug Landwehrmänner vorfinden würden, und schon waren zur Vorsorge die Kürassiere zu diesem Dienste beordert. Aber zwei vollständige Kompagnien Landwehr, von je einem Major geführt, von denen die eine von Grasing, die andere von dem fünf Poststunden entfernten Erding aus völlig freiem Antriebe herübergekommen waren und durch das Dorf bis an die Kirche Spalier gebildet hatten, bewiesen deutlich, wie das Volk, das einst den lebenden König so hoch gehalten, nun auch jetzt für fein totes Herz, ohne jeden amtlichen Befehl, aus treuer Liebe von selbst zu sorgen wußte. Nachdem der Stiftsdechant unter Assistenz einer Menge von Geistlichen ans der Umgegend das königliche Herz auf dem würdig verzierten Katafalk beigesetzt hatte, während ein Männerchor nach besten Kräften
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55. Eine L>zene aus der Sendlinger Bauernschlacht.
287
Nun galt's nicht Kampf mehr um Sieg und Freiheit, jetzt ging es ums arme Leben.
Der Rücken war noch frei bis zur nahen Dorfumfassuug; dort in Zäunen und Heckeu gab es noch Hindernisse für die Verfolger, in Häusern, Scheunen, Ställen noch Deckung gegen das mörderische Blei, auf Straße und Feldweg vielleicht noch ein Entkommen. Was noch stand, wirbelte in Haufen die Hänge und die hohle Straße am Kirchhof hinauf.
Hier hetzt der kaiserliche Geueral Kriechbaum selbst sein Fußvolk den Fliehenden auf den Nacken.
In dichten Massen schieben sich die Kolonnen den Berg heran, inmitten der Kommandant des Entsatzkorps mit seinem Gefolge, Grenadiere voraus, die den vom freien Feld sich Zurückziehenden auf dem Fuße folgen. Schonungslos wird hier das Dolchbajonett gebraucht, die neue Waffe de's Fußvolks, welche, mit dem Holzheft in die Mündung gepflanzt, die Muskete zum wuchtigen Spieß machte. Was nützt dagegen die dünne Seuseuklinge, was Gabel, Sichel und Knüppel!
Nur der wuchtige Morgenstern, von nervigem Arm geschwungen, die schneidende Axt und die altertümliche Hellebarde mag dagegen bestehen.
„Zum Freithof" brüllt da oben der Sensenmann an der Mauer und durch die enge Psorte schiebt sich das hastige Getümmel um Schutz bei Altar und geweihtem Boden zu finden. ofamm&ier schütze.
Das Spundbajonett im Lauf der Infanterie-muskete hindert den Schuß, aber oben von der Mauer blitzt es, pafft und knallt es wie beim Scheibenschießen.
Hier halten noch Jsarwinkler im grünen Rock mit dem kurzen gezogenen Radschloßstutzen stand gegen den geschlossenen Ansturm des kaiserlichen Fußvolkes.
Wohl werden auch hier schon die Grabhügel zum harten, kalten Sterbebett derer, die aus dem Gemetzel im Wiesengrund hierher sich noch schleppend verbluteten, und die alte Kirche aus ferner, eisenharter Zeit sah nie noch solch Getümmel um ihre altersgrauen Mauern, wo das Blut der Gemordeten, das über die Altarstufen rieselte und an die falten Wände spritzend verrauchte, dem Ort des Friedens und ewiger Ruhe selbst die Weihe nahm.
der kurfürstlichen Prinzen zu hindern und, einmal im Besitz der Hauptstadt, von hier aus der österreichischen Herrschaft ein Ende zu machen. Hauptsächlich waren es wehrhafte Männer vom Oberlauf der Isar und dem Land zwischen Loisach und Mangfall — Jsarwinkler — die selbstbewußt, trotzend auf eigene Kraft, den blutigen Strauß wagten.
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422
81. Die Walhalla.
80. Die hohle Weide. (Herbst 1832.)
Von Friedrich Rückert.')
Der Morgentau verstreut im Tale Sein blitzendes Geschmeide,
Da richtet sich im ersten Strahle Empor am Bach die Weide.
Im Nachttau ließ sie niederhangen Ihr grünendes Gefieder Und hebt mit Hoffnung und Verlangen Es nun im Frührot wieder.
Die Weide hat seit alten Tagen So manchem Sturm getrutzet,
Ist immer wieder ausgeschlagen,
So oft man sie gestutzet.
Es hat sich in getrennte Glieder Ihr hohler Stamm zerklüftet Und jedes Stammchen hat sich wieder Mit eigner Bork' umrüstet.
Sie weichen auseinander immer Und wer sie sieht, der schwöret,
Es haben diese Stämme nimmer ßu einem Stamm gehöret.
Doch wie die Lüfte drüber rauschen, So neigen mit (Beslister Die Zweig' einander zu und tauschen Noch Grüße, die Geschwister;
Und wölben überm hohlen Kerne Wohl gegen Sturmes Wüten Ein Obdach, unter welchem gerne Des Liedes Tauben brüten.
Soll ich, o Weide, dich beklagen,
Daß du den Kern vermissest,
Da jeden Frühling auszuschlagen Du dennoch nie vergissest?
Du gleichest meinem Vaterlande, Dem tief in sich gespaltnen,
Von einem tiefern Lebensbande Zusammen doch gehaltnen.
81. Die Walhalla.
Von Karl Theodor von Heigel?)
Als den schönsten Festtag seiner langen Regierungszeit bezeichnet Ludwig selbst den Tag der Grnnbsteinlegung zur Walhalla. Am 2. Oktober 1808 hatte der Jüngling an Johannes Müller geschrieben: „Walhalla ist kein Werk sür einen Kronprinzen, wäre zu kostspielig; soll ich einst König werben, errichte ich es!" Seit biefer Zeit aber waren in seinem Auftrag bitrch Künftlerhanb nach und nach die Brustbilber der berühmtesten Deutschen geschaffen worben. Ter Platz für bic Halle würde schon 1810 bei Gelegenheit eines Besuches des Fürsten Taxis gewählt. Im Herzen Deutfchlanbs, nörbltch von der ehr-würbigen Karolingerstabt Regensburg, von der Goethe sagt: „Es liegt gar schön, schon die Gegenb mußte eine Stadt herbeilocken!", bis zu dem alten Stauf hinab, wo einst Albertus Magnus die geheimnisvollen Gesetze der Natnrkrafte zu ergninben strebte, zieht sich eine langgestreckte Hü'gel kette längs
*) „Gesammelte Werke" Iii, S. 33. Leipzig 1897, Gustav Fock. S) „Ludwig I., König von Bayern", S. 106 ff.
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